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Erschwerte Bedingungen im Hitzesommer: Feickert beugt Unfällen vor

Die Sonne brennt. In der Baggerkabine sind es 60 Grad. Die Konzentration leidet, aber Fehler können auf dem Bau schwere Folgen haben. Auch in Rhein-Main kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen.

Von Axel Wölk

Im regionalen Baugewerbe arbeiten mehr als 91.000 Menschen. Im Sommer leiden sie besonders unter der Hitze. Sand- und Zementstaub führen zu Atemwegserkrankungen und Reizhusten, klagen Experten. Zur Aufgabe des Berufes zwingt etwa die durch Zement hervorgerufene Chromat-Allergie, im Volksmund auch „Maurerkrätze“ genannt, bundesweit mehr als 300 Beschäftigte pro Jahr.

In der engen Baggerkabine bullert die Luft bei 50 bis 60 Grad wie im Backofen. Schweiß trieft, und unter dem obligatorischen Schutzhelm juckt es. Noch drei Stunden bis zum Feierabend auf einer Straßenbaustelle am Hofheimer Ortsausgang – und diesmal sehnt Baggerfahrer Michael Hastrich den Arbeitsschluss wirklich herbei. Die Muskeln sind schlaff; Gedanken laufen in der Hitze zäh.

Die Konzentration leidet, aber da jeder Fehler schlimme Folgen haben kann, reißt sich Hastrich zusammen. Das ein oder andere Mal malt er sich sein Feierabendbier aus. Das motiviert dann doch noch ein wenig. Zwar gibt es eine Klimaanlage in der Kabine. Baggerfahrer Hastrich muss die Türen aber offenhalten, sonst versteht er nicht richtig, was seine Baukollegen rufen.

Der Bagger steht am Rande einer Baukuhle, die auszuschachten ist, damit die Kanalisation erneuert werden kann. Jeder Zentimeter entscheidet. Ein ungewollter Ruck mit dem Bagger, und schon stürzt Hastrich mitsamt seinem Fahrzeug in die etwa fünf Meter tiefe Grube. Jede Unachtsamkeit wird zwischen Kanalrohren, Reißzähnen, Stemmeisen und Schächten oft grausam bestraft. Konzentrationsmängel können lebensgefährlich sein.

Gerade bei der Sommerhitze passt nicht jeder hundertprozentig auf. Darum ist es wichtig, geistig und körperlich voll auf der Höhe zu sein. Auf der Baustelle des Familienunternehmens Feickert wird da durchaus Unfällen vorgebeugt. Es gibt einen Kühlschrank, und die Bauarbeiter – von der Hilfskraft bis zum Polier – können sich uneingeschränkt versorgen. Dehydration wird somit vermieden. „Die meisten Unfälle passieren, wenn die Bauarbeiter einen Augenblick nicht bei der Sache sind“, sagt Hans-Ulrich Viehweg von der IG Bau.

500 Tote gibt es bundesweit jedes Jahr; meistens stürzen Bauarbeiter von einem Gerüst oder werden in einer Grube verschüttet. Fast jeder Unfall ist auf menschliche Fehler zurückzuführen, wenn etwa der Arbeiter die Schutzregeln missachtet. Auch auf den mehreren Hundert Baustellen im Rhein-Main-Gebiet kommt es immer wieder zu schweren Unfällen – wie viele genau es sind, darüber gibt es aber keine Statistik.

Auf der Hofheimer Baustelle geht die Arbeit in der prallen Sonne derzeit weiter. Hastrich ist ein bisschen ungeduldig. Längst müsste der Mechaniker für die Inspektion des Baggermotors da sein. Als der endlich kommt, setzt eine willkommene Ablenkung ein. Beide krabbeln unter den Bagger, um das Öl auszuwechseln. Das schattige Plätzchen unter dem Fahrzeug kühlt den heißgelaufenen Körper wenigstens etwas ab.

Alles in allem macht Hastrich die Arbeit schon Spaß. Der gelernte Schlosser entschied sich, auf den Bau zu wechseln, weil dort die Löhne höher sind: Er bekommt mehr als den Mindestlohn von 12,50 Euro die Stunde für Gelernte und arbeitet außerdem an der frischen Luft. Trotzdem sollten seiner Meinung nach die Arbeitgeber die Hitzearbeit schon stärker honorieren. Sonnenöl etwa sollte gestellt werden. Noch wichtiger ist ihm aber das Geld. „Die Arbeit in der Sonne macht einen schon platt“, sagt der Fünfzigjährige. Er wünscht sich einen finanziellen Bonus für Arbeit in der Sommerhitze.

Schutz tut not, sagt Viehweg von der IG Bau. Wer im Freien körperlich arbeitet, hat eine fünffach höhere UV-Belastung. Hautkrebs kommt bei Bauarbeitern öfter vor als in anderen Berufsgruppen. Deshalb spricht Viehweg sich dafür aus, dass die Unternehmen UV-Arbeitshemden, luftdurchlässige Helme und Sonnencreme stellen.

Gerade auf den Baustellen in Frankfurt ist das aber schwer zu erreichen. Bei 80 Prozent liegt nach seiner Einschätzung der Ausländeranteil auf den dort bestehenden Baustellen. Die Sprache ist dann ein großes Problem. Die IG Bau kann diesen Bauarbeitern nur schwer ihre Rechte vermitteln. Sie werden mitunter mit Stundenlöhnen weit unter dem Mindestlohn abgespeist. Schutz vor Hitze und Staub bekommen sie nicht immer.

In Hofheim hat sich zu Hastrich jetzt Polier Thomas Flügel gesellt. Er ist verantwortlich für alle Abläufe auf der Baustelle, dafür, dass bei Bedarf Stemmeisen und Reißzahn bereitstehen. Auch er schwitzt bei der Hitze, packt schließlich selbst mit an. Deshalb gibt er seinen Bauarbeitern bei übermäßiger Hitze schon mal ein paar Stunden frei, die Arbeit wird dann bei kühlerer Witterung nachgeholt. Das hört Hastrich gern. Bei Temperaturen jenseits der 50 Grad in der Baggerkabine arbeitet schließlich niemand gern.

Dieser Beitrag erschien am 29.07.2008 in der Frankfurter Rundschau